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Welcher Organist hat nicht schon einmal davon geträumt in Paris, dem Mekka der Orgelliebhaber, am Spieltisch einer großen Orgel Platz zu nehmen und die Jahrhunderte alten Kirchengemäuer mit Klang zu füllen? Im Rahmen der ersten Orgelakademie Paris (AIOP 24.7-28.7.2017) wurde dieser Traum Wirklichkeit. Die Teilnehmer kamen aus Frankreich, Deutschland, aus Polen, aus Österreich und aus den USA.

In vier Gruppen wurde ein großes französisches Repertoire angeboten aus Romantik, Symphonik und Moderne und dem besonderen Schwerpunkt der Improvisation. Es gab Vormittags- und Nachmittagsunterrichtseinheiten in kleinen Gruppen Dabei an unterschiedlichen Pariser Kirchen mit wechselnden Lehrern. Abends stand dann jeweils ein gemeinsamer Gruppenausflug zu bedeutenden Orgeln in Paris bzw. ins Pariser Umland auf dem Programm.

Mit St.-Eustache stand eine der berühmtesten Pariser Kirchen als Austragungsort für den täglichen Unterricht zur Verfügung. Diese gotische Kathedrale mit Renaissance-Dekor beherbergt eine der größten Orgeln Frankreichs (5 Manuale, 101 Register, darunter 5x 32‘ !), die 1989 von der Firma Van den Heuvel nach Plänen von Jean Guillou gebaut worden war. Zahlreiche fantastische Klangkombinationen sind hier aufgrund der vielen Aliquotregister möglich, aber auch das volle Werk klingt phänomenal. Wer beim Spielen den Fuß auf dem Schwelltritt „Crescendo Générale“ hat, der entwickelt leicht die Assoziation von Gaspedal und Geschwindigkeitsrausch! Ein unvergessliches Erlebnis!

Ein weiteres Orgeljuwel von ebenso großer musikhistorischer Bedeutung war die Cavaillé-Coll-Orgel in La Madeleine. Auf dieser Orgel mit dem eindrucksvollen Prospekt im Stil der italienischen Renaissance spielten schon Liszt und Schumann, Saint-Saëns und Fauré waren hier Titulaires.

Bei den anderen beiden Unterrichtsinstrumenten handelte es sich um große drei- bzw. viermanualige Instrumente in St.-Augustin und St.-Pierre-de-Chaillot, wobei letzteres Instrument aufgrund seiner zahlreichen Aliquotregister besonders gut für zeitgenössische Orgelmusik geeignet ist. Die kraftvollen Zungenregister dieser Orgel verfehlen allerdings in der halligen Akustik dieser Kirche ihre Wirkung nicht.

Mit Louis Robilliard, Baptiste-Florian Marle-Ouvrard, Samuel Liégeon und Frédéric Blanc konnten vier namhafte Lehrer für die Orgelakademie gewonnen werden. Aufgrund der unterschiedlichen Spezialgebiete/Schwerpunkte der Lehrer konnte man als Kursteilnehmer zahlreiche wertvolle Hinweise für das weitere Arbeiten mit nach Hause nehmen.

Im Rahmen der abendlichen Exkursionen stand am Montag zunächst ein Orgelkonzert von Henri de Rohan-Csermak in St.-Germain-l’Auxerrois (ehemalige Hofkirche des Louvres) auf dem Programm. Zweifellos ist dieses Instrument hervorragend für Orgelmusik aus der Zeit des französischen Barocks geeignet, aber auch Schumann lässt sich klanglich überzeugend darstellen.

Das Ziel der Exkursion am Dienstag war die frisch restaurierte Cavaillé-Coll-Orgel in St.-Maurice-de-Becon. Die von Thomas Monnet gespielten ersten beiden Choräle von Franck zeigten gelungen den Klangzauber des Instruments, das neben dem typisch französischen Cavaillé-Coll-Klang auch Klangeinflüsse der deutschen Orgelromantik aufweist.

Weiter ging es am nächsten Tag mit der verhältnismäßig kleinen Mutin-Orgel im Temple-du-Saint-Esprit im 8. Arrondissement. Wer als Deutscher neobarocke zweimanualige Kleinorgeln kennt, ist überrascht welche Klangfülle und Wärme ein solches Instrument mit 12 Registern im Kirchenraum entfaltet. Beim anschließenden gemütlichen Abendessen konnte dann der Organist Dr. Kurt Lueders unterhaltsame Einblicke in die Problematik von Orgelrestaurierungen bzw. Modernisierungen geben.

Das letzte Exkursionsziel der Orgelakademie war die spektakuläre Barockorgel in Notre-Dame-des-Vertus im Pariser Vorort Aubervilliers. Mit zahlreichen Registern aus dem 17. und 18. Jahrhundert handelt es sich um ein historisch sehr bedeutsames Instrument, das seinen ganz eigenen Charme hat (z.B. Voix humaine 8‘). Man hatte beim Hören das Gefühl, um Jahrhunderte in die Vergangenheit zurückversetzt zu werden.

Am Freitagabend hieß es Abschied nehmen. Mit der Dachterrasse der Wohnung von Frédéric Blanc (ehemals Wohnung Duruflé) stand aber ein äußerst spektakulärer Platz für die Abschlussfeier zur Verfügung. So konnte man die schönen Erinnerungen der zur Ende gegangenen Woche Revue passieren lassen.

Neben dem Orgelunterricht, den Orgelbesichtigungen und Konzerten bot die Orgelakademie auch ein tolles Forum um neue Kontakte zu knüpfen und gegenseitige Einladungen auszusprechen. Auch wenn so intensiver „Orgelaktivurlaub“ mehr anstrengend als erholsam ist, so ist er für jeden Orgelenthusiasten zu empfehlen. Und wer dieses Jahr noch nicht mit dabei war: Eine Fortsetzung der Orgelakademie ist geplant! 

 

Dr. Moritz Malischewski, Berlin