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Jährlich, wenn die Sonne auf ihrem sich wiederholenden Lauf ihren sommerlichen höchsten Stand überschritten und auch der Mais auf den Feldern bereits eine ansehnliche Höhe erreicht hat, nähern sich dem oberschwäbischen Dörfchen Obermarchtal aus allen Himmelsrichtungen unterschiedlichste Menschen mit einem besonderen gemeinsamen Interesse.Leicht erschöpft von der Anreise erreicht man Obermarchtal, den letzten Rest erledigt man zu Fuß. Zunächst durchquert man den schmucken und ruhigen Ort und steht vor dem Torbogen eines recht imposanten Gebäudes flankiert von einem gemütlichen Gasthaus. Sodann durchquert man lange Tor und wie im Märchen glaubt man sich dahinter in eine ferne Welt versetzt. Plötzlich steht man inmitten einer anmutigen Parkanlage, ein sommerliches Lüftchen weht, die Sonne strahlt, die Störche klappern mit den Schnäbeln und die in der Nähe befindliche Donau rauscht. In der Mitte des Parks steht eine barocke Schlossanlage – aber nein, man muss sich daran erinnern, dass dies kein Schloss, sondern ein Kloster ist und dessen Hauptgebäude ist das Münster. Man schlendert einen Parkweg entlang bis zu einer schweren mit Schmiedearbeiten versehenen Holztür, die selbst schon ein Kunstwerk darstellen würde, wenn sie eben nicht eine Tür wäre. Als dann tritt man ein und fällt fast ein zweites Mal in Faszination, denn was sich draußen nur andeutete, erreicht im Inneren seinen Höhepunkt, eine einzigartige barocke Pracht! Keine Ecke dieses Kirchengebäudes, die nicht bedeutungsschwer und kunstfertig ausgestaltet ist. Dann steigt man noch eine Wendeltreppe zur Empore hinauf und befindet sich unmittelbar am Ziel seiner Reise, die große Orgel von Johann Nepomuk Holzhey (1741–1809) aus dem Jahr 1780.


An diesem besonderen Ort fand vom 25. bis zum 28. Juli die Orgelakademie Oberschwaben 2024 statt. 17 OrganistInnen und OrgelliebhaberInnen folgten dem Ruf von Michael Grüber, Organisator und Seele der Orgelakademie, um vier Tage lang diese historische Barockorgel kennenzulernen, unterschiedliche Literatur zu spielen, Erfahrungen auszutauschen und neue Eindrücke und Inspirationen zu gewinnen. Zum Auftakt stellte Gregor Simon, der die berühmte Holzhey-Orgel als Kustos betreut, die technische und klangliche Vielfalt des dreimanualigen Instruments vor.

Als Dozent konnte der international renommierte Organist und Cembalist Léon Berben aus Köln gewonnen werden. Der gebürtige Niederländer beeindruckte nicht nur durch seine eigene Spieltechnik und Musikalität, sondern hörte sich auch den Vortrag jedes einzelnen Teilnehmers an, arbeitetete mit den Teilnehmenden an der Interpretation, gab Empfehlungen zur Ausführungspraxis und bildete durch seine ruhige und empathische Art den angenehmsten Mittelpunkt eines Kreises von professionellen, aber auch von ehrenamtlichen Kirchenmusikern und von Freunden der Orgelmusik.

Léon Berben beobachtet zuerst, fragt nach Anliegen und gibt vor allem Anregung und Hilfestellung zu eigenen bewussten Entscheidungen, damit die Organistinnen und Organisten durch die Musik von sich aus etwas aussagen und die Zuhörer erreichen können. Ausgehend von bestens studierten historischen Quellen vermittelt Berben für die von den Teilnehmern ausgewählte Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts fundiertes Fachwissen und praktische Tipps: Gebrauch des Pedals, „alter“ vs. moderner Fingersatz, Registrierungen, inegale Spielweise, Artikulation, Struktur und Takt, Methoden zum Üben, Bewegung und Rhythmus, Verzierungen, Dissonanz und Konsonanz, kantables Spiel, bewusste Gestaltung der Mittelstimmen im polyphonen Spiel, Tempo rubato, allgemeine Stilfragen, u.v.m.

Den Organisten standen zum Üben mehrere Orgeln in Ober- und Untermarchtal zur Verfügung. So wurde den ganzen Tag musiziert und auch des Nachts verstummte die Orgel im Münster Obermarchtal keineswegs, denn auch die nächtliche Stimmung wurde in eine musikalische Atmosphäre umgesetzt. Und wenn die Orgel doch einmal schwieg, so setzte sich die Musik in Gesprächsrunden und Diskussionen in solcher Gemütlichkeit fort, dass selbst der alte Bach aus Eisenach oder andere große Meister sich hinzugesetzt hätten.

 

Einen weiteren Programmpunkt der diesjährigen Orgelakademie bildete der Vortrag von Dr. Andreas Weil zu neuen Erkenntnissen zur Urheberschaft der Toccata d-moll BWV 565 und der lange Zeit Johann Sebastian Bach zugeschriebenen 8 kleinen Präludien und Fugen.


Zum Abschluss der Orgelakademie fanden zwei vom Publikum viel beachtete Konzerte statt, zum einen das traditionelle Teilnehmendenkonzert mit Musik vom Frühbarock bis zur Klassik, sowie ein Konzert von Leon Berben selbst im Rahmen des Bach-Zyklus. Den späten Sonntagmorgen nutzte indes ein Teil der Kursgruppe, um die Holzhey-Orgel in Rot an der Rot kennen zu lernen und zu spielen.


Nach vier Tagen galt es wieder Abschied zu nehmen, aber nicht ohne sich beim Händeschütteln zu versichern, dass noch nicht alles gesagt und vorgespielt wurde und dass man sich ganz sicher wiedersehen werde.

Somit gilt der besondere Dank sämtlicher Teilnehmer all denjenigen, die in Ober- und Untermarchtal zum Gelingen der Orgelakademie Oberschwaben 2024 beigetragen haben.

Daniel Vendura