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Über die Orgelreise Paris 8. - 12. April 2015 schreibt Daniel Seeger, 17 Jahre:

Mit folgendem Bericht mlchte ich einen kurzen und informativen Einblick in die Orgelreise nach Paris 2015 geben. Die Teilnahme dort habe ich beim württembergischen Wettbewerb für gottesdienstliches Orgelspiel im Herbst vergangenen Jahres gewonnen. Michael Grüber von ORGANpromotion hatte diesen Reiseplatz als ersten Preis gestiftet. An dieser Stelle nochmals einen herzlichen Dank dafür!

Die Orgelstudienfahrt nach Paris ist für jeden Organisten ein absolutes Muss. Bei keiner anderen Gelegenheit können Instrumente und Organisten so hautnah erlebt werden, wie während dieser Tage nach Ostern. In fünf Tagen 14 Orgeln zu bereisen ist eine große Angelegenheit, die immer höchstes Aufnahmevermögen fordert. Bereits vormittags stehen die ersten Besuche an, was bedeutet: nach dem Frühstück in die Metro und mitten hinein in eine Stadt. 

 

In den verschiedensten Kirchen, von klein bis gigantisch, wird man dann stets von dem jeweiligen Titulaire empfangen, der sich allergrößte Mühe gibt, das Klangerlebnis zu einem unvergesslichen werden zu lassen. Wobei Dominique Levaque, der blinde Organist des Eröffnungskonzerts, definitiv eine sehr inspirierende Persönlichkeit war, zumal ich noch nie einen blinden Organisten getroffen, wohl aber von der großen Tradition blinder Organisten in Paris gehört habe. Bei den weiteren Begegnungen mit jungen Orgelprofis in Paris möchte ich hervorheben Noel Hazebrough, der mit unglaublichen Improvisationen an Flügel und Orgel ein unvergessliches Programm gestaltete und Baptiste-Florian Marle-Ouvrard. Letzterer gestaltete dann auch den Orgelkurs, was zum Beispiel für mich äußerst interessant war. Denn zu einem Stück Anregungen des zukünftigen Titulair von St. Eustache, dem Nachfolger des berühmten Jean Guillou zu bekommen, war etwas ganz besonderes. Hier konnte ich die französisch-romantische Orgeltradition hautnah erleben. Ein Hauptunterschied zur „deutschen“ Tradition und Spielweise liegt für mich dabei in der spontaneren, emotionaleren Spielart der Franzosen. Der deutsche Musiker ist manchmal wohl zu sehr mit Theorie als mit Musik beschäftigt, wobei die Franzosen an manchen Stellen vielleicht zu wenig „Texttreue“ beweisen, wie ich jetzt feststellen konnte. Auch hier ist wahrscheinlich die goldene Mitte das erstrebenswerte Ideal.

 

Was die Reise insgesamt natürlich auch reizvoll gestaltete, war die Tatsache, dass sie nicht nur aus „Berieselung“ bestand. Als Krönung gab es bei fast der Hälfte der Instrumente im Anschluss an Vorstellung und Konzert nämlich die Möglichkeit selbst ein oder zwei Stücke zu spielen:

Beim Orgelkurs am Donnerstag war das Kursinstrument selbstverständlich den Kursteilnehmern vorbehalten, bei welchem Orgelwerke Cesar Francks und Jehan Alains Inhalt waren. Die Orgel dort (Saint Vincent de Paul de Clichy) wurde ursprünglich für die Weltausstellung 1900 gebaut und erst danach in die Kirche transferiert.

Die nächste Gelegenheit bot sich dann in der Kirche Saint Louis en l´ ile. Dort steht ein wahres Schmuckstück der jungen Pariser Orgellandschaft. Erst vor wenigen Jahren baute die Firma Aubertin dort eine dreimanualige Barockorgel, die mit ihrer sehr musikalischen Spielart und der mustergültigen Intonation ein prädestiniertes Instrument für die bach´sche Musik darstellt. An Cavaille-Coll Orgeln mit Barkern gestaltet sich das naturgemäß etwas schwieriger. Deswegen war hier gute Gelegenheit, für ein Choralvorspiel und eine Triosonate.

Als Klassiker unter den Programmpunkten stand am Donnerstagabend der Besuch bei Daniel Roth auf dem Programm, nachdem wir den bereits erwähnten Noel Hazebrough erleben durften. Die Kirche wurde ganz exklusiv für uns geschlossen und der Maitré spielte ein schönes Programm für die Gruppe. Von der Musik selber habe ich aber nicht viel mitbekommen. Mir wurde nämlich die Ehre zuteil, Daniel Roth bei seinem Spiel zu registrieren. Für jemanden, der das noch nie dort gemacht hatte und mit der äußerst komplizierten Technik der Orgel nicht vertraut war, war die Angelegenheit nicht ganz einfach. In jedem Fall aber unglaublich spannend. Zum Glück war Daniel Roth nicht zu sehr mit seinem eigenen Spiel beschäftigt, wodurch er einige Anweisungen währenddessen geben konnte. Insgesamt also ein erhebendes Erlebnis, das ich nie vergessen werde!

Im Temple du Saint Esprit konnte man bei Kurt Lueders dann wieder eine äußerst delikate, diesmal aber recht kleine, Cavaille-Coll Orgel bestaunen, die trotz ihrer bescheidenen Größe den Raum gut füllte und mit ihren wunderbaren Einzelstimmen beeindruckte. Sogar für einen großen Reger war dieses Instrument geeignet. Für alle Interessierten und Laien gestaltet Kurt Lueders im Vorfeld eine äußerst interessante und geschmackvolle Einführung in die Welt des Harmoniums und machte große Lust, mehr darüber zu erfahren. Die protestantische Kirche dort war gleich mit drei geeigneten Instrumenten ausgestattet.

Carolyn Shuster-Fournier empfing uns schließlich in der Trinité, die mit ihren hochkarätigen Organistenbesetzungen ganz in der Pariser Tradition steht. Nach ihrem wunderbaren Konzert auf der großen und der historischen, kleinen Chororgel hatte ich dann Gelegenheit, die Litanies von Alain zu spielen, die wohl genau für dieses Instrument komponiert und von ihrem Komponisten auch dort uraufgeführt worden ist. Carolyn Shuster-Fournier bedankte sich bei mir herzlich dafür, weil eigentlich Sie das Stück spielen wollte, aber am Ende keine Zeit mehr gehabt hatte, es einzuregistrieren.

Mit David Noel-Hudson erlebten wir in Saint Louis d´Antin schließlich einen der wenigen nicht-französischen Organisten in Paris. Nach einem abwechslungsreichen Konzert bot sich wiederum Gelegenheit, das Instrument durch eigenes Spiel zu erkunden. Wiederum bestätigte sich die Variabilität der Cavaille-Coll´schen Instrumente in Bezug auf die Literaturmöglichkeiten. Ungewöhnlich war die Gestaltung der Spielanlage mit ihrem seitlich angebrachten Spieltisch, der so den nötigen Platz für Chor und Orchester frei macht. Leider hat, wie so oft, der Organist dadurch den ungünstigsten Platz in der Kirche.

Der Samstag startete mit einem der interessantesten Programmpunkt der Reise: In der Kirche Saint Severin steht eine der außergewöhnlichsten Orgeln in Paris. Ein respektabler Teil des Pfeifenmaterials stammt aus dem 17. Jahrhundert und macht das Instrument besonders geeignet für Musik aus der französichen und (nord)deutschen Barockzeit. Diesen Voraussetzungen Rechnung tragend, improvisierte Christophe Mantoux im französischen Barockstil, was auf der einen Seite unglaublich beeindruckend und auf der anderen Seite durch sein großes und rundes Spiel auch sehr beruhigend war. Sehr wertvoll, dass im Paris von heute nicht nur der stark verbreitete französisch-romantische Klang, sondern auch Vielfalt gepflegt wird. Meiner Meinung nach sind sich dessen viel zu wenige bewusst. Erfreulicherweise ergab sich für mich auch hier Gelegenheit, ein Stück zu spielen. Ein weiteres Choralvorspiel von Bach erwies sich als besonders geeignet.

 

Beeindruckend der Besuch der Kathedrale von Versailles mit einem Orgelkonzert von Christian Ott, welcher in seinem Konzert unter anderem das gigantische Ad nos von Liszt zu Gehör brachte.

Weniger gigantisch dann am Nachmittag der Besuch in St. Clotilde. Die Orgel ist heute mit einem fahrbaren Spieltisch elektrifiziert und im Grunde zerstört. Der einstige wohl warme und runde Klang dieses weltbekannten Instruments, mit dem wunderschönen und kunstvollen Prospekt, lässt sich höchstens noch erahnen. Er ist einem grellen, lauten und unangenehmen Lärm gewichen. Scharfe Mixturen und die fürchterlichen Chamaden, die anstelle des alten Spieltischs stehen, sprechen überdeutlich für die Zeit der Umbauten. Deswegen finde ich es sehr bedauerlich, dass an einer so bedeutenden Stätte der Musik ein so unzulängliches Instrument steht, an welchem Cesar Franck sicherlich keine Spielfreude gehabt hätte.

Der letzte Programmpunkt war am Samstag das Konzert von Bruno Mathieu. Er spielte wiederum sehr virtuos und improvisierte am Ende auch. Hier konnte man nach einem anstrengenden Tag tatsächlich abschalten und die Musik genießen.

In Saint Sulpice war der Gottesdienst am Sonntag zum zweiten Mal ein absoluter Genuss für den Hörer. Nicht ohne Grund ist diese Orgel so beliebt und berühmt und bietet das Potenzial noch so viele junge Generationen von Organisten für das Instrument zu begeistern. Allein der atemberaubende Prospekt ist Grund genug, das Instrument zu besuchen. Und wer dann noch einen Blick auf den Spieltisch erhaschen kann, muss einfach beeindruckt sein von der unvorstellbaren technischen und klanglichen Leistung, die Aristide Cavaille-Coll dort vollbracht hat!

Finale unserer Orgelreise war ein Besuch bei Olivier Latry in Notre-Dame.

Sollte jetzt jemand Lust bekommen haben, bei der nächsten Orgelreise nach Paris dabei zu sein, ist mein besonderer Tipp: empfehlenswert! Mit Michael Grüber hat man in jedem Fall einen Reiseleiter, der einem die Welthauptstadt der Orgeln auf spannende und inspirierende Weise näher bringt und in einem außergewöhnlich guten Draht zu den Organisten dieser Metropole steht. Mit dabei sind immer nette, lockere und orgelliebende Leute, die man kennen lernt und mit denen man noch lange in gutem Kontakt steht!

 

Daniel Seeger, Tuttlingen

 

Hintere Reihe: Thomas Schäfer-Winter (Jury), Bezirkskantor Andreas Gräsle (Jury), KMD Hans-Eugen Ekert (Jury), KMD Thomas Haller (Jury), Jacob Fuchs (3. Preis), etwas verdeckt KMD Peter Ammer (Vorsitzender des Bereichs Orgel im Verband Ev. Kirchenmusik in Württemberg e.V.), LKMD Bernhard Reich, Oberbürgermeister Otmar Heirich (Nürtingen), Landesbischof Dr. h.c. Frank Otfried July, Dekan Michael Waldmann (Nürtingen) Mittlere Reihe: Brigitte Abele (Jury), Sabine Hartmann (Jury), Simon Haffner, Patrick Renz (2. Preis), Daniel Seeger (1. Preis) Vordere Reihe: Jonathan Ehrmann (2. Preis), Magnus Lederer (1. Preis), Sonja Fick, Johannes Spyrka (Es fehlen die Teilnehmer Ulrich Hekler und Christian Stroppel)